Theorie
Hinter jedem Hobby steckt immer auch eine mehr oder weniger große Menge Theorie. Der Modellbauer muss sich mit den Materialien auskennen, der Angler mit der Biologie der Fische und Gewässer und der Fotograf etwas von Optik verstehen. Da bildet auch der häusliche Weinhersteller keine Ausnahme.
Sicherlich sind nicht alle biologischen Hintergründe wichtig, um einen guten Wein herstellen zu können. Die alten Römer machten ihren Wein ohne jegliche Kenntnis von der Existenz von Mikroorganismen, wie der für die Gärung so wichtigen Weinhefe Saccharomyces cerevisiae.
Wachstum der Hefe
Um zu verstehen, wie sich die Hefe verhält und wie sie wächst und gedeiht, sind einige mikrobiologischen Grundlagen notwendig. Ich werde diese Grundlagen hier auf das wesentliche konzentrieren, man möge mir daher etwaige wissenschaftliche Unschärfen verzeihen.
Hefen der Gattung Saccharomyces, zu denen auch die Weinhefe gehört, zählen zu den Sprosshefen. Das bedeutet, dass Sie sich durch Sprossung, also „Ablegerbildung“ vermehren. An der Mutterzelle bildet sich zu gegebener Zeit eine kleine Tochterzelle, die daraufhin immer größer wird. Wenn diese Zelle etwa die Größe der Mutterzelle erreicht hat, wird sie von dieser abgeschnürt. Durch diese Zellteilung entstehen also aus einer Zelle zwei Zellen. Diese beiden Zellen wiederum können ebenfalls wieder neue Tochterzellen bilden und diese dann wieder. Jeder dieser Vermehrungsschritte dauert bei optimalen Bedingungen etwa zwei Stunden. Dabei verdoppelt sich jedes Mal die Zahl der Zellen, aus einer werden zwei, aus den zwei Zellen dann vier, dann acht, sechzehn und so weiter. Man kann nun leicht errechnen, wie viele Hefezellen in welcher Zeitspanne aus einer Hefezelle entstehen können. Die Tabelle gibt einen kleinen Hinweis darauf, wie eine solche Vermehrung ablaufen kann.
Stunden |
Hefezellen |
|
0 |
1 |
2 |
2 |
4 |
4 |
6 |
8 |
8 |
16 |
10 |
32 |
12 |
64 |
24 |
4.096 |
48 |
16.777.216 |
72 |
68.719.476.736 |
|
Tabelle 1: Exponentielle Vermehrung der Hefe. Bei einer Verdopplungszeit von zwei Stunden können potentiell mehr als 68 Milliarden Hefezellen aus einer einzigen Mutterzelle entstehen.
Aus der Tabelle kann man leicht ersehen, dass die Anzahl der Hefezellen zu Beginn einer Wachstumsperiode nur langsam ansteigt, später dann aber immer schneller größer wird. Nach vierundzwanzig Stunden sind aus einer einzigen Hefezelle gut viertausend Zellen entstanden. Nach einem weiteren Tag bereits mehr als 16 Millionen Zellen und nach drei Tagen fast 69 Milliarden! Man spricht dabei auch von exponentiellem Wachstum und kann die Vermehrung in einer Exponentialfunktion darstellen. Dieses exponentielle Wachstum tritt allerdings nicht nur bei Hefen auf, auch Schimmel und Bakterien vermehren sich exponentiell. Aus diesem Grund steigt die Gefahr des Umkippens des nicht gärenden Weins auch mit jeder Stunde rapide an, so dass ein zügiges Angären essentiell ist.
Die hier dargestellte Form des Hefewachstums wird es im Ansatz jedoch eigentlich nie geben. Diese schnelle Vermehrung ist nur unter optimalen Bedingungen von der Hefe zu leisten. Optimale Bedingungen finden die Hefen in der Regel im Ansatz nicht vor. Dennoch sollte man sich bemühen, den optimalen Bedingungen möglichst nahe zu kommen, denn dadurch erhält die Hefe einen Wachstumsvorteil gegenüber den anderen, schädlichen Mikroorganismen.
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